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Alternstheorien Alterungstheorien; Theorien des Alterns; Alterstheorien
老化理論; 老化の理論、老化論   rōka riron; rōka no riron; rōkaron
ageing theories; theories of ageing

Kommentar

Alternstheorien

Es existieren derzeit mehr als 300 verschiedene Alternstheorien. Sie können in die folgenden Gruppen zusammengefaßt werden.

1) Theorien, die auf der Beschreibung von Alternsveränderungen basieren:

Sie gehören zu den ältesten Alternstheorien, da sie versuchen, aus der Beschreibung von Veränderungen, die ein Organismus von seiner Jugend bis zu seinem Tode erfährt, den Alternsprozeß zu erklären. Solche Veränderungen werden als Vernetzung von DNA und Proteinmolekülen beschrieben ("cross-linkage theories"). Sie betreffen post-translationale Modifikationen von Struktur und Funktion von Enzym- und anderen Proteinen sowie ihre quantitativen Veränderungen. Einige dieser Theorien behandeln ganz spezifische Organe und Gewebe (z. B. Augenlinsenproteine, kernlose Erythrocyten, Knochen- und Zahnverfall usw.) und dürfen daher von vornherein keine Allgemeingültigkeit beanspruchen.

2) Theorien, die das Altern auf wenige endogene oder exogene Faktoren zurückführen:

Die beobachteten irreversiblen Veränderungen im Alter wären dann die Folgen derartiger Schädigungen. Eine "klassische" Vorstellung ist in diesem Zusammenhang die von der Autointoxikation (I.I. Metschnikow, 1904), zu den moderneren gehört die "free radical theory", die zusammengefaßt mit der älteren "rate of living theory" besagt, daß die Alternsrate eines Lebewesens direkt korreliert ist mit der Rate unreparierter Molekülschädigungen, die durch endogene oder exogene freie Radikale hervorgerufen werden und die umgekehrt korreliert ist mit der Effizienz von Antioxidations- (Antioxidantien) und Reparaturmechanismen (DNA-Reparatur).

3) Theorien, die mit einem genetischen Alternsprogramm operieren:

Hierzu sind die Vorstellungen zu zählen, die Altern und Entwicklung nicht trennen und vom Alternsprozeß als einer Fortsetzung der Entwicklung sprechen. Dabei können einerseits pleiotrope Gene eine Rolle spielen, deren Expression die Vitalität in frühen Entwicklungsstadien erhöht und damit einen hohen Fortpflanzungserfolg garantiert, die sich aber schädlich auf die Überlebenschance in späteren Stadien auswirken (s. u.). Andererseits wird auch über die Existenz von spezifischen Genen diskutiert, die als Regulatorgene für Langlebigkeit verantwortlich sind. Demnach ist z. B. der rapide Anstieg der maximalen Lebensdauer innerhalb der Primatenevolution auf das Zusammenwirken relativ weniger Regulatorgene zurückzuführen (s. u.). Spektakuläre Beispiele für streng genetisch kontrollierte Lebensabläufe finden sich sowohl bei Pflanzen (annuelle Gewächse) als auch bei Tieren (Fortpflanzungstod). Auf der Ebene von Zellen kann man zeigen, daß eine Unterbrechung des Differenzierungsprogramms zu einer Unterbrechung des Zellalterns führt – bis hin zur Transformation in unsterbliche Zellen.

4) Mathematische Theorien:

Bei diesen Theorien werden Modelle erarbeitet, die Mortalitätskinetiken simulieren und den Einfluß verschiedener endogener und exogener Faktoren auf Alternsstruktur und Dynamik von Populationen sowohl beschreiben als auch prognostizieren. Auf das Individuum bezogen, lautet eine der zentralen Aussagen, daß die Komplexität des Alternsprozesses – ebenso wie die der Ontogenese – nur über eine Systemanalyse erfaßt werden kann. Einzelne metabolische Vorgänge, die in ganz unterschiedlicher Weise für den Alternsprozeß verantwortlich sind, sind netzartig miteinander verknüpft und wirken aufeinander ein, ohne daß man zunächst sagen könnte, daß ein Teilaspekt dieser Interaktionen wichtiger als der andere sei. Allein die sicher zutreffende Beschreibung der Seneszenz als einer Störung der Homöostase umfaßt derartig viele Prozesse, daß es nicht vorstellbar ist, sie durch die Erkenntnis der limitierten Proliferationskapazität einzelner Zellen oder durch Effekte einzelner Faktoren (z. B. Fehler bei der Translation, Schäden durch freie Radikale usw.) erklären zu können. Altern wird in diesem Zusammenhang als "multi-rate-limiting-events-process" aufgefaßt, der in all seiner Komplexität beschrieben werden muß, bevor man hoffen kann, eventuell das am meisten limitierende Ereignis ausfindig zu machen. Es liegt auf der Hand, daß auch unter diesem Gesichtspunkt eine vergleichend biologische Untersuchung von Alternsprozessen erforderlich ist.

5) Evolutionstheorien:

Die bisher erwähnten Theorien sind "proximate Theorien": sie versuchen das "wie" des Alternsvorgangs zu erklären. Die Fragen nach dem "warum" der vielfältigen Unterschiede im zeitlichen Ablauf zwischen Entwicklungszyklen und Lebensdauer verschiedener Organismen sind aber am ehesten unter phylogenetischen Aspekten begründbar. Die Evolutionstheorie des Alterns erfordert also eine ultimate Betrachtungsweise, die Betrachtung einer "life history strategy". Zentraler Punkt und das theoretische Konzept, das sich hinter diesen Studien verbirgt, ist die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, unter verschiedenen Umweltbedingungen (biotischen und abiotischen Faktoren) eine möglichst hohe reproduktive Fitness (Adaptationswert, inclusive fitness) zu erlangen, d. h., möglichst häufig im Genpool der nächsten Generation vertreten zu sein. Die Fitness ist eine mathematisch exakt errechenbare Größe.

Unterschiedliche "Lebensstile" verlangen unterschiedliche Kompromisse ("trade-offs") zwischen physiologischen Leistungen, die dem Lebenserhalt, und solchen, die der Reproduktion dienen, da sehr häufig die exogenen und immer die endogenen Ressourcen, derer sich ein Organismus bedienen kann, begrenzt sind ("constraints").

Die Lebensdauer selbst ist eine Arteigenschaft und ein Teil der ökologischen Nische einer Art. Dabei hängt die Lebensdauer immer mit der Art der Fortpflanzung zusammen. Zur Erlangung einer hohen reproduktiven Fitness gibt es unterschiedliche Fortpflanzungsstrategien, deren Extreme in der Populationsgenetik als r-Strategie oder K-Strategie (auch r- bzw K-Selektion genannt) beschrieben werden (Selektion, Strategie). Beide Lebensformtypen sind an unterschiedliche Lebensdauern gebunden. Typische "r-Strategen" (z. B. solche Tiere, die unter einem sehr hohen Feinddruck stehen oder deren Nahrung nur kurzfristig in ausreichender Menge erlangt werden kann) besitzen eine kurze Lebensdauer bei explosionsartiger Vermehrung. Sie investieren von den vorhandenen Ressourcen viel in die Nachkommen und wenig in die Aufrechterhaltung der Körperintegrität. Umgekehrt verhält es sich bei typischen "K-Strategen". Die "disposable soma theory" des Alterns versucht, derartige Allokationen (Allokation) von begrenzten Energievorräten zu quantifizieren, woraus sich bestimmte "Alternsformtypen" ableiten lassen sollten. An hierzu notwendigen zahlreichen vergleichenden Untersuchungen zum Altern von Tieren und Pflanzen fehlt es allerdings bisher.

Die Selektion auf eine artspezifische Lebensdauer kann selbstverständlich nur während der Fortpflanzungsperiode wirksam sein. Nach der Vorstellung vom Wirken pleiotroper Gene werden sich mit zunehmendem Alter mehr und mehr schädliche Genprodukte anhäufen, weil der Selektionsdruck gegen sie nach dem Maximum der Reproduktionsrate mehr und mehr nachläßt.

 

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